Werden Museen interaktiv?

Juno Wela, 13.09.2020

 
"Aktive Teilnahme", "Programmmitbestimmung" und "Partizipation" sind Schlagwörter, die einem in Kulturinstitutionen immer öfter begegnen. In den letzten Jahren ist ein Trend zu beobachten, in dem interaktive Angebote, Feedbacks und Ratings im Kulturbetrieb immer stärker ins Gewicht fallen. Woher kommt dieses Phänomen und wie interaktiv sind die neuen Angebote wirklich?
Diesen Fragen soll in diesem Artikel auf den Grund gegangen werden.

 

 

Kultur für Alle – Woher kommt der Hype?

 

Seit 2012 steht in der Schweizerischen Bundesverfassung ein Gesetz namens Kulturförderungsgesetz – kurz KFG. Dieses formuliert einerseits Richtlinien für den Bund und die Kantone um festzulegen, welche Mittel für die Kulturbranche aufgewendet werden sollen. Andererseits definiert es auch ein Leitmotto. Die Teilnehmenden der Kulturbranche, also Museen, Konzerthäuser, Theaterbetriebe etc., können sich an diesem Motto orientieren, wenn sie vom Budget des Bundesamtes für Kultur profitieren wollen. Dieses Motto wechselt alle vier Jahre und von 2016 bis 2020 lautete die Botschaft "Kulturelle Teilhabe".

Der Hype um die interaktiven Museen scheint also durch die Politik angekurbelt zu werden. Dabei stellt sich jedoch eine weitere Frage...

Partizipation und Teilhabe – Was heisst das konkret?

 

Auf die Frage, was kulturelle Teilhabe bedeutet, haben Schweizer Museen die verschiedensten Antworten gefunden. Wer sich in den letzten Jahren ab und zu in ein Museum begeben hat, ist mit grosser Wahrscheinlichkeit einer Art interaktiven Ausstellung begegnet. Ausstellungsprojekte, welche den Besucher*Innen die Möglichkeit geben, vor Ort aktiv Teil der Ausstellung zu werden, können die verschiedensten Formen annehmen. Sei es eine Kunstinstallation, die durch die Teilnehmer*Innen verändert werden, die anschliessende "Meet the Artist" - Diskussionsrunde, eine VR-Brille, die einen auf eine audiovisuelle Reise mitnimmt oder ein Touchscreen mit Videos zum Making-of der Ausstellung.
Klar ist; die nüchterne Präsentation von Objekten in Glasvitrinen und Bildern an weissen Wänden lockt keine Besucher mehr ins Museum, wenn dasselbe Erlebnis mit wenigen Mausklicks online verfügbar ist. Weniger klar ist jedoch, ob die Touchscreens, VR-Brillen und Podiumsdiskussionen wirklich mehr Interaktivität bedeuten.

 

 

Obwohl sich die Art der Präsentation ganz eindeutig von ihren Vorgängern unterscheidet, ist damit nicht viel für die Teilhabe getan. An einem Projekt wirklich teilzuhaben bedeutet viel mehr mitbestimmen und formen zu können.

Um erfolgreiche Beispiele für Teilhabe und Partizipation zu sehen, müssen wir nur unseren Browser öffnen und beobachten, wie Social Media Stars ihre Follower über ihren Feed bestimmen lassen. Die Entscheidungskraft über den Content liegt zu 100% bei der Community. Die Bewertungen durch Likes und Daumen kennen kein Pardon, was nicht gefällt, wird nicht viral gehen und keine Views erzielen.
Wenn wir die Auffassung von Interaktivität in den Museen in Social Media Terms übersetzen wollen, wäre das etwa so, wie wenn Instagram die Funktionen zu liken, kommentieren und teilen sperren würde, dafür aber jedem User die Möglichkeit gäbe, die Bilder der anderen User mit einem persönlichen Filter zu versehen. Die Art der Wahrnehmung würde sich dadurch stark unterscheiden, der Inhalt selbst stünde jedoch in keiner Weise zur Debatte. Dies ist ein interessantes Konzept, von Interaktivität und Teilhabe  jedoch kann kaum die Rede sein.

 

Also keine wirkliche Interaktion in Sicht?

 

Nach dem Verständnis von Digital Natives scheint die Möglichkeit zur tatsächlichen Bestimmung des Programmes eine Selbstverständlichkeit zu sein. Vielmehr als nur die Präsentation des Angebots sollte auch über das Angebot selbst bestimmt werden können. Für die Kulturbetriebe sind diese Erwartungen jedoch gar nicht so einfach zu erfüllen. Obwohl natürlich ein Interesse besteht, junge Besucher*Innen für sich zu gewinnen, sind auch noch ganz andere Faktoren im Spiel. Die Museen müssen darauf achten, ihren Ruf zu wahren und eine künstlerische Leistung aufrecht zu erhalten. Nicht zuletzt, um im nationalen und internationalen Wettbewerb mithalten zu können. Zudem müssen die Erwartungen der Sponsoren erfüllt werden, in einigen Fällen haben sogar die Kantone ein Mitspracherecht bei der Programmwahl. Käme hier auch noch die Stimme der Besucher*Innen dazu, müsste das Konzept der Museen komplett überdenkt werden, um nicht im Chaos des Stimmengewirrs unterzugehen.  

Für eine authentische Interaktion zwischen Museen und Besucher*Innen müsste der Aufbau der Institutionen fundamental überarbeitet werden. Dies wäre ein riesiger Aufwand, der weitaus länger dauern würde, als die Botschaft des Bundesamtes für Kultur vorsieht. Gleichzeitig ist längst bekannt, dass sich das Ausstellungswesen in die digitale Welt verschiebt. Zwei Fragen müssen also dringend beantwortet werden; Wem wollen die Museen gerecht werden und wo liegt ihre Zukunft?
Eine Neuerfindung des klassischen Museums ist im 21. Jahrhundert unausweichlich. Wie genau diese Neuerfindung aussieht, werden wir hoffentlich schon bald erfahren...

 

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